Angststörungen
Angst ist ja eigentlich ein normales und wichtiges menschliches Gefühl – ein wichtiges Signal, dass uns sagt: Achtung Gefahr! Wenn Ängste aber unangemessen stark auftreten und das eigene Leben einengen, spricht man von einer Angststörung.
Angststörungen sind eine der häufigsten psychischen Erkankungen und treten auch oft zusammen mit anderen psychischen Störungen, wie z.B. Depression, auf.
Auch wenn der erste Impuls wahrscheinlich ein anderer ist: Es ist wichtig, sich seinen Ängsten zu stellen und nicht ihnen auszuweichen – dies erfordert Mut, aber: „Nur wer die Angst kennt ist wirklich mutig“; daher ist die Konfrontation mit angstauslösenden Situationen oder Gedanken ein wesentlicher Ansatzpunkt der Angstbehandlung. Zu diesem Aspekt der Angstbehandlung hat vor allem die Verhaltenstherapie viele praktische Vorgehensweisen entwickelt. Zugleich ist es meiner Erfahrung nach aber in der Regel möglich, auch in dieser Konfrontation immer wieder eine innere Distanz zur Angst einzunehmen – dies kennzeichnet mein Vorgehen bei der Therapie dieser Störungen sehr stark. Wenn das gelingt, ist häufig schon ein großer Schritt gemacht – denn dann hat die Angst einen nicht mehr uneingeschränkt im Griff, so dass man untersuchen kann, was im eigenen Leben die Angst bisher ‚genährt’ hat. Dies wird individuell natürlich sehr verschieden sein – nur um ein Beispiel zur Illustration zu geben: Überfordernde Situationen im Berufs- oder Privatleben können eine Rolle spielen. Man kann dann aber auch in der Therapie daran arbeiten, mit welchen Veränderungen im eigenen Leben der Raum, den die Angst einnimmt wahrscheinlich wieder kleiner wird. Wie gesagt, muss der erste Schritt eine gewisse Distanz zur Angst ermöglichen und das geht meiner Erfahrung nach nicht ohne eine zeitweilige Konfrontation mit der Angst, damit in diesem zweiten von mir hier skizzierten Schritt die Angst wieder auf einen angemessenen und nicht mehr übergroßen Platz im Leben des oder der Betroffenen verwiesen werden kann.
Mit dieser hier skizzierten Vorgangsweise habe ich gute Erfahrungen bei Angststörungen wie z.B. Panikstörungen oder generalisierten Angststörungen gemacht. Zugleich wohnt diesem Ansatz auch eine gewisse Paradoxie inne, denn ein wesentlicher Aspekt des Vorgehens besteht auch in der Erkenntnis, dass man Angst nicht kontrollieren kann. Ich plädiere in der Angstbehandlung also für Fortschritt durch Abbau von massiver Kontrolle – auch hier geht es eigentlich um eine gesunde Distanz. Wobei das natürlich leicht klingt, aber oft schwer zu erreichen ist.
PatientInnen mit Angststörungen haben oft eine jahrelange Krankheitsgeschichte – daher betrifft die Angst oft auch die soziale Umgebung, Freunde und Verwandte. Oft helfen diese dem Angstpatienten durch ihre Anwesenheit, sind verfügbar wenn die Angst wieder übermächtig wird. Der Angst ins Auge zu sehen kann so umgekehrt auch heißen, wieder mehr alleine zurecht zu kommen (oder zu müssen). Das soziale Umfeld des Betroffenen in der Behandlung mit zu berücksichtigen und zu bedenken ist prinzipiell eine Stärke des systemischen Ansatzes, den ich vertrete.