Psychotherapie, Coaching, Supervision
Mag. Helmut Egger
Psychotherapeut (Systemische Familientherapie, ÖAS)
Klinischer und Gesundheitspsychologe (BÖP)
Supervisor und Coach (ÖVS)
Weiterbildung Kinder- und Jugendlichentherapie (VPA)
Praxis:
5023 Salzburg Zeisigstr. 30 (Gemeinschaftspraxis Gnigl)
4020 Linz Volksfeststrasse 12 (Praxisgemeinschaft Rundherum)
Psychotherapie, Coaching, Supervision
Mag. Helmut Egger
Psychotherapeut (Systemische Familientherapie, ÖAS)
Klinischer und Gesundheitspsychologe (BÖP)
Supervisor und Coach (ÖVS)
Weiterbildung Kinder- und Jugendlichentherapie (VPA)
Praxis:
5023 Salzburg Zeisigstr. 30 (Gemeinschaftspraxis Gnigl)
4020 Linz Volksfeststrasse 12 (Praxisgemeinschaft Rundherum)

Ich hatte heuer die Gelegenheit als einer von mehreren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen meines Arbeitgebers „Exit-Sozial“ in Linz am Kongress des „Netzwerks Stimmenhören e.V.“ in Berlin teilzunehmen. Dieser Kongress scheint mir aus verschiedensten Gründen wert, auch in dieser Form hier berichtet zu werden.

Zunächst einmal ist ein solcher Trialogischer Kongress ja prinzipiell etwas sehr Spannendes (Trialog bedeutet ja, dass drei Gruppen: Die professionellen Fachleute wie ich, die von psychischen Problemen BFetroffenen und als dritte Gruppe deren Angehörige – Partner, Verwandte, Freunde – gleichberechtigt in Dialog miteinander treten – dass also nicht davon ausgegangen wird, dass Fachleute – Psychiater, Psychologen, Psychotherapeuten, Sozialarbeiter usw. – es prinzipiell einmal ‚besser wissen‘ – sondern auch diese von den anderen Gruppen etwas lernen können, wenn man einander zuhört). Auch Exit-Sozial ist im Sinne dieses trialogischen Gedankens nicht nur mit MitarbeiterInnen, sondern auch mit selber stimmenhörenden Personen nach Berlin gereist.

Spannend – und auch kontrovers – fand ich aber vor allem das Thema des diesjährigen Kongresses: Psychopharmaka und Alternativen

Da es sich beim Thema des Kongresses ja ums Hören von Stimmen (akustische Halluzinationen) handelte, ging es klarerweise vor allem um eine Gruppe von Psychopharmaka: Antipsychotika bzw. Neuroleptika. Der erste Tag war mehr einer kritischen Bestandsaufnahme der üblichen Behandlungspraxis gewidmet, der zweite möglichen Alternativen oder Ergänzungen zu Medikamenten. In diesen zwei Tagen ist durchaus ein differenzierender, vorsichtiger Blick auf das Thema gelungen, ich habe diesen Kongress weder als einseitig für noch einseitig gegen Medikamente erlebt (was bei diesem Thema erfahrungsgemäß nicht einfach ist).

Am ersten Tag hat der Psychiater Dr. Volkmar Aderhold die wissenschaftliche Studienlage allgemeinverständlich gesichtet und als Ergebnis für niedrigere Dosierungen auch in der akuten Behandlung in der Psychiatrie plädiert. Ebenso wurde von ihm darauf hingewiesen, dass nach heutigem Wissen nicht jede akute Psychose gut auf Antipsychotische Medikamente anspricht und dass es möglicherweise andere Behandlungsansätze auch geben sollte (dies widerspricht wohl gängigen medizinischen Leitlinien, die Organisation der Akutpsychiatrie in Form des sogenannten ‚Offenen Dialogs‘ in Teilen von Finnland beweist allerdings, dass dies möglich ist- hier gibt es auch ausreichend empirische Belege, dass dies funktioniert). Dr. Aderhold äußerte auch Zweifel an der empirischen Evidenz für hochdosierte Langzeitbehandlungen – hat aber andererseits auch sehr deutlich darauf hingewiesen, dass es umgekehrt schwierig und nur sehr langfristig und wohl auch nicht für jeden möglich ist, solche Medikationen wieder zu reduzieren. Hier hat er sich unter anderem auch auf einen Artikel, der im British Journal of Psychiatry 2016 erschienen ist, bezogen (Murray et al. 2016).

Will Hall aus den USA, selber therapeutisch tätig, aber auch selber Stimmen hörend und vor seiner jetzigen Karriere als Therapeut lange mit der Diagnose „Schizophrenie“ in Behandlung, hat dann das Thema möglicher Reduktionen von Antipsychotika und was es braucht um hier möglichst sicher vorzugehen, aus seiner sehr persönlichen Perspektive vertieft.

Für mich persönlich war das Highlight allerdings der zweite Tag, der mehr den Alternativen und Ergänzungen zu psychopharmakalogischer Medikation gewidmet war. Es wurde die sogenannte Erfahrungsfokussierte Behandlung vorgestellt, bei der mittels eines Interviews der Bedeutung der Stimmen für das eigene Leben nachgegangen wird. Dieses auch ‚Maastricht-Interview‘ genannte Interview für stimmenhörende Personen ist etwas, das ich auch schon in meiner Arbeit angewendet habe, mich hat aber sehr beeindruckt von KollegInnen zu hören, die dieses Interview auch in der Akutpsychiatrie erfolgreich verwenden.

Genauso spannend waren die Ausführungen des Berliner Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. Jan Schlimme über Psychotherapie mit psychotischen Menschen für mich. Dr. Schlimme hat dabei sein in gemeinsamer Forschung mit Kollegen und stimmenhörenden Menschen entstandenes Modell vorgestellt, wie Psychosen wieder abklingen und die persönliche Auseinandersetzung mit dem Erlebten im Rahmen einer Psychotherapie – die nur möglich ist, wenn nicht zuviel Antipsychotika genommen werden, denn die psychotischeErfahrung darf, damit diese Auseinandersetzung möglich bleibt, nicht völlig ‚vergraben‘ sein – langfristig eine Integration des Erlebten und einen guten Verlauf ermöglichen kann. Sowohl die Ausführungen über die Erfahrungsfokussierte Behandlung als auch die über Psychotherapie bei Psychosen ganz allgemein haben mir vor allem eines ganz deutlich gezeigt: Es geht nicht um ‚böse‘ Psychopharmaka versus ‚gute‘ Psychotherapie, sondern zuerst einmal um eine gar nicht so einfache Entscheidung für den bzw. die Betroffene/n: Will ich mich mit meiner psychotischen Erfahrung persönlich auseinandersetzen oder nicht?

Die Eindrücke und fachlichen Inputs, die ich bei diesem Kongress für mich mitnehmen konnte, haben mich in meiner auch schon bisherigen Erfahrung nochmals bestärkt, dass eine solche persönliche Auseinandersetzung extrem hilfreich sein kann – sie ist aber eben auch durchaus schwierig. Und diese persönliche Auseinandersetzung – für die man ein geeignetes ‚Gegenüber‘ braucht – ist Voraussetzung für das Gewinnen von mehr Stabilität; das Nachdenken darüber, ob es auch mit weniger Medikation gehen kann, sollte dann erst der zweite Schritt sein.

Weiters hat sich mir nochmals mehr gezeigt, dass es mehr Psychotherapie auch für Menschen mit Psychoseerfahrung geben sollte und dass es hier wohl noch Verbesserungsbedarf, nicht nur in Deutschland, sondern sicher auch in Österreich, gibt. Solche Kongresse, wie ich einen hier miterleben durfte, sind natürlich ein wichtiger Schritt in Richtung solcher Verbesserungen der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung.

Wer Genaueres nachlesen will:

Hier die Homepage des „Netzwerks Stimmenhören e.V.“:http://www.stimmenhören.de 

(es wurde angekündigt, dass Audiomitschnitte der Vorträge auf der Homepage veröffentlicht werden sollen; 29.1.2018: aktuell funktioniert obiger Link leider nicht, da der Internetauftritt des „Netzwerk Stimmenhören“ gerade überarbeitet wird!)

Die von Dr. Aderhold prominent erwähnte Arbeit im „British Journal of Psychiatry“ ist hier verfügbar:

http://bjp.rcpsych.org/content/bjprcpsych/209/5/361.full.pdf

Jann Schlimme hat zusammen mit Burkhard Brückner (und etlichen psychoseerfahrenen MitautorInnen) im Psychiatrie-Verlag ein Buch veröffentlicht, in dem er das Modell der abklingenden Psychose und seinen psychotherapeutischen Ansatz erläutert – hier der Link zum Psychiatrie-Verlag und zum Buch:

https://www.psychiatrie-verlag.de/buecher/detail/book-detail/die-abklingende-psychose.html